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Eine kurze Geschichte…des indischen Whiskys

Das Tor zu Indien bei Sonnenuntergang in Mumbai.
Das Tor zu Indien bei Sonnenuntergang in Mumbai.

Wenn man an Whisky denkt, fallen einem viele wichtige Länder und Regionen ein, in denen der goldene Brand zu Hause ist. Nur die wenigstens denken dabei an Indien. Dabei ist das Land der zweitgrößte Exporteur von Whisky. Woher die Liebe der Inder zum Whisky rührt, obwohl Alkohol in drei Bundesstaaten sogar noch verboten ist, und was den indischen Whisky ausmacht, wollen wir in einer kurzen Geschichte des Indian Whisky erzählen.

Whisky-Geschichte eines Kolonialstaates

Whisky ist seit mehr als 100 Jahren die Lieblingsspirituose der Inder. Das erklärt sich sicherlich nicht aus der Religion und den kulturellen Traditionen des Landes, sondern hängt mit dem Königreich zusammen, aus welchem der Whisky ursprünglich stammte. Die britische Raj, also die Zeit, in der Indien Kolonie des Vereinigten Königreiches war, brachte den Whisky im 19. Jahrhundert in das asiatische Land. Somit ist die Geschichte des Whiskys in Indien schon mehr als 150 Jahre alt, und beginnt im Prinzip genau in der Zeit, als in Schottland die ersten legalen Brennereien das Licht der Welt erblickten.

Die britischen Soldaten waren dem goldenen Brand zugeneigt und brachten ihn sozusagen als Grundnahrungsmittel mit. Bei der indischen Bevölkerung dauerte es länger, ehe der Whisky Fuß fassen konnte, war der Brand doch in weiten Teilen der Bevölkerung als „fremdes Gift“ verschrien. Nach und nach aber wurde auch immer mehr Whisky für den einheimischen Konsum importiert.

Beginn der Whiskyproduktion in Indien

Ehe man in Whisky in Indien selbst destillierte, sollten noch einige Jahre vergehen. In den späten 1820er Jahren allerdings gründete der Brite Richard Dyer die Kasauli-Brennerei. Für die Ausstattung organisierte er extra kupferne Brennblasen aus Schottland. Quellwasser für die Herstellung von Whisky war rund um Kasauli reichlich vorhanden, aber die Destillation von Alkohol war dennoch schwierig. Das lag daran, dass in Indien praktisch kein Getreide übrige war, welches man zu Alkohol destillieren konnte, statt es für Nahrungsmittel zu verwenden.

Die Lösung war die Produktion von Whisky mit anderen Rohstoffen als Getreide. Dyer griff zur Melasse (oder auch Molasse), um den Alkohol zu verdichten. Heraus kam ein Whisky, der nur zu 10 bis 12 Prozent aus echtem Single Malt bestand. Dennoch wurde diese Art der Produktion zu der gängigen Herstellungsmethode in Indien, die bis heute zu Kontroversen führt. Denn eigentlich ist der auf diese Art erzeugte Whisky kein Whisky. Wir würden ihn vielleicht eher als Rum bezeichnen. Erst in den 1980er Jahren sollte sich diese Praxis ändern und auch echter Whisky in Indien hergestellt werden.

Indien und der Alkohol

Lassen Sie uns noch einen kleinen Exkurs zum Alkohol an sich in Indien machen, denn es ist schon bemerkenswert, dass im Land des abstinenten Gandhi so viel Alkohol importiert, produziert und getrunken wird. In drei Gliedstaaten ist Alkohol sogar noch gänzlich verboten. Noch heute ist in der indischen Verfassung die Prohibition in Gedenken an Mahatma Gandhi als Urvater der Unabhängigkeit von Großbritannien als Ziel festgelegt. Doch schaut man weit zurück in die indische Kultur, bemerkt man, dass Alkohol in Indien schon immer eine große Rolle gespielt hat.

In der indischen Mythologie und der hinduistischen Religion hat ein berauschender Trank namens Somarasa eine besondere Bedeutung. Dem Getränk wurde nachgesagt, es sei das Elixier der Götter und würde Unsterblichkeit bewirken. Dies ist schon in den Schriften der vedischen Kultur zwischen 1500 und 700 vor Christus beschrieben worden. Aus Blumen, Früchten und auch Getreide wurden alkoholische Getränke gewonnen. Für diese Tradition gibt es auch den Begriff des „Indian Country Liquor“. Circa 2000 vor Christus wird in den Schriften der Harappan Zivilisation sogar die Gottheit Balarama erwähnt, die in ausschweifender Weise Kallu genoss, ja sogar abhängig von diesem aus Palmensaft vergorenen Getränk war. Noch heute wird man im südlichen Kenala mit diesem nun Toddy genannten Getränk willkommen geheißen.

Auch heute noch ist die üppige Pflanzenwelt Indiens die Grundlage für Alkoholika aller Art. Reis, Kokosnuss, Getreide und vor allem Rohrzucker als Basis für die alkoholischen Getränke sind vor allem in den ländlichen Gegenden nicht wegzudenken. Erst mit Mahatma Gandhi postulierte die indische unabhängige Regierung den Genuss von Alkohol als schlechte Eigenschaft.

Indischer Whisky – Spagat zwischen echtem Single Malt und Molasse-Produkt

Vor dem Hintergrund der immerwährenden Knappheit von Getreide und der ausgeprägten Trinkkultur der indischen Bevölkerung kann man die heute bestehende Whisky-Kultur besser verstehen. Es ist nämlich so, dass nur die wenigsten als Whisky bezeichneten Spirituosen auch nach europäischer Norm echte Whiskys sind. Der Großteil der Whisky-Produktion folgt auch heute noch der Tradition der Verarbeitung von Melasse. Durch diese wird das Getränk auch für die armen Schichten der Bevölkerung erschwinglich. Dafür wird die Maische aus Getreide mit Melasse (meist aus Zuckerrohr) vermischt. Erst in den 1980er Jahren begann die Traditionsbrennerei Amrut, die im Jahr 1948 gegründet wurde, damit, Whisky nach alten schottischen Rezepten nur mit gemaischter Gerste zu destillieren. Der damalige Vorsitzende des Unternehmens, Neelakanta Jagdale hat die Geschichte des indischen Whiskys verändert, in dem er das Potential „echten“ Whiskys für Kenner erkannte.

Der erste eigenständige Whisky in Indien zum Ende des 20. Jahrhunderts

Amrut Distilleries begann in den 1980er Jahren damit, Getreide von den Bauern in Haryana, Punjab und Rajasthan zu beziehen. 1986 brachte Amrut den Prestige Blended Malt Whisky auf den Markt. Single Malt Whisky gehörte damals nicht zur Trinkkultur der Inder, sodass das Unternehmen zunächst noch immer Melasse beigab, statt den Whisky gleich als Single Malt abzufüllen. Als MaQintosh Premium Whisky machte sich dieser Hybrid einen Namen.

Die ersten eigenständig nach schottischer Tradition hergestellten indischen Whiskys der Brennerei Amrut waren also noch keine Whiskys im europäischen Sinne. Erst einige Jahre später, mit der Jahrtausendwende, sollte der Lernprozess zu den Methoden der Whisky-Herstellung abgeschlossen sein. Indien wagte den Sprung in die Produktion von echtem indischen Single Malt nach schottischem Vorbild.

Die Quality Revolution im neuen Jahrtausend

Im Jahr 2004 stellte die Brennerei Amrut ihren ersten eigenen Single Malt vor. Dass man nun doch auf traditionellen Single Malt setzte, hatte unter anderem auch damit zu tun, dass Amrut erkannte, dass unter den klimatischen Bedingungen im Süden des Landes der Whisky viel schneller reifte als beispielsweise in Schottland. Der Chefdestillateur bei Amrut bringt präzise auf den Punkt, was der Vorteil dadurch ist. Ein 5 Jahre gereifter indischer Single Malt kann es geschmacklich und in seiner Komplexität mit einem 15-jährigen schottischen Single Malt aufnehmen.

Nachdem der erste Amrut Single Malt ein echter Hit gewesen war, setzte die Brennerei die Qualitätsoffensive weiter fort. Man führte das Spektrum-Fass ein, nahm neue Hölzer aus Amerika, Spanien und Frankreich zu den EX-Sherry-Fässern hinzu.

Amrut blieb nicht die einzige Destillerie in Indien, die sich auf die Herstellung von Single Malt als echten indischen Whisky konzentrierte. Auch die in Goa ansässige Paul John Destillerie brachte im Jahr 2012 ihren ersten Single Malt Whisky heraus. Auch hier passte man die Brau- und Fermentationsmethoden an das indische heiße Klima an. Sowohl Amrut als auch Paul John sind mittlerweile in der Welt bekannt für ihre Qualität. Sie haben für mehrere Whiskys nicht nur gute Bewertungen, sondern auch Preise gewinnen können.

Indian Whisky und die Handelskontroverse

Dank der beiden indischen Whisky-Pioniere, die die Geschichte des indischen Whiskys verändert haben, kennt man Indian Whisky nun auf der ganzen Welt. Es sind neben Rampur auch bisher die einzigen, die man in den Ländern der europäischen Union als Whisky erwerben kann. Die vielen anderen Marken der Melasse-Produkte wie die bekannten McDowells, Officer’s Choice oder Bagpiper entsprechen nicht der europäischen Norm für Whisky.

Indien hat in der Welt des Spirituosenhandels einen Außenseiterstatus, obwohl sie viele Alkoholika exportieren und noch mehr importieren. Dies liegt vor allem an Handelsstreitigkeiten mit anderen Whisky- und Spirituosenherstellenden Ländern wie Großbritannien und der Europäischen Union. Die etablierten Whisky-Exporteure beschweren sich über die hohen Zölle, die Indien auf das Importieren von Whisky erhebt (immerhin bis zu 150 Prozent), um den einheimischen Konsum auf die Melasse-haltigen Alkoholika zu befördern. Indische Destillateure hingegen bemühen sich seit Jahren darum, dass die EU ihre Melasse-haltigen Whiskys als echten Whisky anerkennt, damit sie diesen exportieren können. Die EU deklariert die indischen Melasse-Whiskys bis heute als Indian-Made Foreign Liquor (IMFL), was die Inder als inakzeptabel bezeichnen. Ob dieser Streit jemals ein Ende hat, ist nicht abzusehen. Absehbar allerdings ist, dass indischer „echter“ Whisky dank seiner sehr hohen Qualität und seiner moderaten Preise seinen Siegeszug in Europa und der Welt fortsetzen wird.

Tipp: Eine kleine Übersicht und die besten Whiskys aus Indien haben wir hier zusammengestellt.

Und jetzt wünschen wir viel Spaß beim Probieren und wie so oft immer eine Handbreit (japanischen) Whisky im Glas.


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